Bürgermeister Dr. Küper als örtlicher Luftschutzleiter berichtet dem Befehlshaber der Ordnungspolizei in Kaiserswerth über den Luftangriff am 16. November 1944 und über die bis zum 20. November 1944 erfolgten Ereignisse und Maßnahmen.
Stadtarchiv Düren, Akte B 168.
Düren, den 21.11.1944
Bunker "Schöne Aussicht"
An der Landstraße Köln-Düren.
Betr.: Luftangriff am 16.11.1944
Übersichtsmeldung bis einschl. 20.11.1944
Am 16.11.1944 gab die örtl. Luftschutzleitung um 11:00 Uhr Fliegeralarm. Starke feindliche Kampfverbände kreisten im Raume Düren - Eschweiler - Jülich und warfen dort laufend Bombenteppiche. Gleichzeitig lag schwerstes Artilleriefeuer auf dem vorgenannten Raum und auf dem Stadtgebiet Düren. Um 15:26 Uhr meldeten die Beobachter starke Anflüge von Südwesten her, im selben Augenblick wurde eine rote Leuchtkaskade abgeworfen, die auf das Dach der Unterkunft des Kommandos der Schutzpolizei, Kaiserplatz 18, fiel und den Dachstuhl in Brand setzte. Um 15:27 Uhr fielen die ersten Bomben auf das Kommandogebäude und nächste Umgebung. Alsdann setzte ein Bombardement unvorstellbaren Ausmaßes ein, das bis 16:03 Uhr anhielt. Die Auswirkungen waren schwerster Art. Die örtl. L[uft]S[chutz].-Leitung, alle Dienststellen der Polizei, alle städtischen Dienststellen sowie staatliche und militärische Dienststellen wurden vollständig zerstört und das Personal restlos verschüttet. Die ört. LS.-Leitung, beide Polizeireviere und noch einige andere Dienststellen konnten sich nach großen Anstrengungen von innen heraus selbst befreien. Mit zerrissenen Uniformen und teilweise unvollständig bekleidet erreichten die Beamten das Freie. Die gesamte Ausrüstung der Beamten ging verloren, einige Karabiner konnten nachträglich ausgegraben werden. Die Fahrzeuge der Polizei, die an drei verschiedenen Stellen untergebracht waren, wurden größtenteils völlig zerstört, der Rest schwer beschädigt. Die gesamte Innenstadt im Ausmaße von 3 Quadratkilometern bildet ein Trichterfeld.
Von den insgesamt vorhandenen rund 9.000 Gebäuden sind mehr als 7.000 restlos zerstört, alle anderen sind mehr oder weniger schwer beschädigt. Es wurden Bombentrichter festgestellt bis zu 10 Meter Tiefe und 25-30 Meter Durchmesser. Der Angriff wurde von mindestens 600 viermotorigen Bombern durchgeführt. Sofort nach ihrer Befreiung ließ die örtl. LS.-Leitung mit dem Rest der ihr verbliebenen Kräfte und mit tatkräftiger Unterstützung der Zivilbevölkerung die Bergungsarbeiten aufnehmen. Gleichzeitig wurde ein Kurier mit Kraftrad nach Kaiserswerth entsandt, außerdem wurde von Titz aus fernmündlich Meldung nach Kaiserswerth gegeben.
Noch im Laufe der Abendstunden wurden hunderte Verschüttete lebend geborgen. Genaue Zahlenangaben hierüber können nicht gemacht werden.
Von Stunde zu Stunde dehnten sich die Brände zu einem einzigen Flächenbrande aus. Dichte schwere Rauchschwaden machten einen weiteren Aufenthalt im Stadtgebiet unmöglich. Die örtl. LS.Leitung beabsichtigte, am nordostwärtigen Stadtrand von Düren eine Befehlsstelle einzurichten. Dies stellte sich aber als unzweckmässig heraus, weil der starke Südwestwind die Rauchschwaden nach Nordosten trieb und ein Eindringen in die Stadt von dieser Seite unmöglich machte. Darauf verlegte sie ihre Befehlsstelle in das Rathaus Birkesdorf, der Ort gehört als 3. LS.-Revier zum LS.-Ort Düren.
Ab 0:30 Uhr rollten die vom BdO. in Marsch gesetzten Kräfte in Birkesdorf an und wurden von dort aus eingesetzt.
Am 17.11.44 wurde die LS.-Leitung zum Bunker >>Schöne Aussicht<< an der Straße Köln - Düren verlegt, von wo aus der Einsatz ungestört erfolgen konnte, da der Flächenbrand inzwischen abgeklungen war.
Die Arbeit der Einsatzkräfte wurde durch Artilleriebeschuß und Tiefflieger stark behindert. Außerdem explodierten anhaltend Langzeitzünder.
Am 20.11.44 um 8:15 Uhr wurden bei Bergungsarbeiten an der Reichspost durch Langzeitzünder 4 Angehörige der 3. I.-Bereitschaft Duisburg getötet und 7 verletzt bzw. verschüttet. Ferner wurde ein Angehöriger der LS.-Abtlg. mot. 23 Essen durch Tiefflieger schwer verletzt.
Das Ergebnis der eingesetzten I.-Dienstkräfte bis einschließlich 20.11.44 ist folgendes:
1) |
lebend geborgen ............................ |
17 |
2) |
tot geborgen .................................... |
119 |
Die Zahl der noch Verschütteten wird auf mehr als 2.000 geschätzt. Die eingesetzten I-Dienstkräfte reichen für die noch zu leistenden Bergungsarbeiten nicht aus. Die Bevölkerung hat sich in der Hauptsache in den Luftschutzräumen ihrer Häuser aufgehalten. Dadurch muß jeder Keller freigelegt werden. Die verhältnismäßig geringe Zahl der bisher von den
I.-Dienstkräften geborgenen Personen ist auf diesen Umstand zurückzuführen.
Die San.-Bereitschaften haben bis einschl. 20.11.44 270 Verwundete verbunden und transportiert.
Verluste:
Polizei: |
1 Gefallener, |
4 Vermißte. |
Frw.Feuerw.: |
1 Gefallener, |
20 Vermißte. |
TN: |
|
6 Vermißte |
Wegen der Frontnähe war die Aufräumung die vordringlichste Aufgabe. Am 17.11.44 wurden unter dem Kommando des SA.-Sturmbannführers Rutkowski 1.800 Ostarbeiter eingesetzt. Die Arbeiten gingen schnell vonstatten, so daß am 18.11.44 der Verkehr durch Düren teilweise durchgeleitet werden konnte. Am Abend des 20.11.44 waren alle Hauptverkehrsstraßen aufgeräumt. Die Beschilderung der Durchgangsstraßen ist behelfsmäßig durchgeführt. Die Arbeit des Sturmbannführers Rutkowski verdient besondere Anerkennung.
In der Anlage füge ich den Bericht des Einsatzführers des I.Dienstes, Abtl.-Führers Richter, bei. Die ruhige und umsichtige Leitung des I.-Dienstes durch den Abtl.-Führer Richter wird besonders hervorgehoben.
[Paraphe von Bürgermeister Küper]
Druck: Hans J. Domsta, Düren 1940-1947. Krieg, Zerstörung, Neubeginn. Eine Dokumentation aus Tagebüchern, Briefen, Akten und Berichten der Zeit, Düren 1994, S. 162 f.