Die Rückriem-Stelen in Düren:

Schützenstraße

"Düren war nach diesem 10. November eine andere Stadt geworden"

Klirrendes Glas, prasselnde Flammen, zusammenstürzende Mauern: Ein Stück Dürener Kultur wird vernichtet. Am frühen Morgen des 10. November 1938 erlebt die brutale Verfolgung der deutschen Juden einen vorläufigen, für die ganze Welt sichtbaren Höhepunkt. Wie überall im Reich wird auch in Düren die Synagoge angezündet, zerstören SA und SS als Träger des staatlich verodneten "Volkszorns" alles, was ihnen als jüdisch bekannt ist.

"Düren war nach diesem 10. November eine andere Stadt geworden", wird sich später eine Zeitzeugin erinnern.

Es war in der Tat für viele Dürener, christliche wie jüdische, schwer zu begreifen, was da geschah. Seit über 700 Jahren lebten Juden in dieser Stadt, spielten eine bedeutende Rolle im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben und identifizierten sich mit ihrer Heimatstadt, genau wie ihre Mitbürger.
 

Auch wenn uns genaue Kenntnisse über die finanziellen Verhältnisse der jüdischen Gemeinde Düren fehlen, so kann man doch davon ausgehen, dass sie durchaus zu den wohlhabenden zählte. In der Dürener Innenstadt gab es zahlreiche jüdische Geschäfte, vor allem der Textil- und Bekleidungsbranche, und eine Reihe jüdischer Arztpraxen. Metzgereien sowie Vieh- und Pferdehandel bilden einen weiteren Schwerpunkt jüdischer Geschäftstätigkeit.

Dürener Juden engagieren sich im kulturellen und sozialen Leben ihrer Stadt. Sie sind in Vereinen tätig, wie etwa Joseph Gordon, in den 20er Jahren Vorsitzender des Westdeutschen Fußballverbands und Geschäftsführer des "Vereins für Jugend- und Volksspiele 1896 e.V.", heute "Spielvereinigung Schwarz-Weiß Düren 1896 e.V.".

Bei so viel "Normalität" erscheint es unbegreiflich, wie in wenigen Jahren eine Minderheit so isoliert werden konnte. Zahlreich sind die triumphierenden Meldungen des "Westdeutschen Beobachters", der lokalen NS-Zeitung, über den Ausschluss der Juden vom Besuch der Badeanstalten, der Kirmes, des Theaters, über ihre Entfernung aus ganzen Berufs- und Gewerbezweigen ebenso wie die "Enthüllungen" über die angeblich rassische und charakterliche Minderwertigkeit der jüdischen Mitbürger.

Trotz ihrer unbestreitbaren "Erfolge" gehen die Nazis noch drei Wochen vor der Pogromnacht davon aus, "dass noch manche Arbeit für die Ausschaltung der Juden zu tun ist", wie der "Westdeutsche Beobachter" schreibt.

Und damit dabei nichts schief gehen kann, beteiligt sich in Düren sogar der stellvertretende Kreisleiter des NSDAP, Georg Logauer, persönlich an der Brandstiftung am frühen Morgen des 10. November 1938. Nachdem ein erster Versuch misslungen war, macht man jetzt mit benzingetränkten Lappen ganze Sache, so dass die Flammen bald die ganze Synagoge erfassen. Die Familie des Synagogendieners Holländer kann sich erst Sekunden vor dem Zusammenbruch der Treppe aus dem Obergeschoss retten.

Die Feuerwehr trägt ihren Teil zum Gelingen des Unternehmens bei, indem sie ihre Schläuche auf die benachbarten Gärten richtet statt auf die brennende Synagoge.

Wenige Wochen später geht Düren zur Tagesordnung über. Einer Entschließung des Bürgermeisters Schmitz zufolge wird das Synagogengrundstück von der Stadt für den Preis von 30.000 RM erworben, "abzüglich 3.000 RM für Niederlegung und Entfernung der noch vorhandenen Gebäudeteile". Aus dem Gelände wird ein Parkplatz.


 

Wernerstraße

"Bei dem brauchst du nicht Wache zu stehen, der verreckt ja doch!"

Das 1927 eingeweihte Friedrich-Ebert-Jugendheim der Arbeiterwohlfahrt in der Wernersstraße war ein lebendiges Zentrum der Dürener Arbeiterbewegung. So war es selbstverständlich, dass hier auch die Feier zum 50. Todestag von Karl Marx am 14. März 1933 stattfinden sollte. Aber dazu kam es nicht mehr.

Mitte März 1933 etwa wurde das Heim von SA und SS gewaltsam besetzt und umgetauft in "Schlageter Heim". Albert Leo Schlageter war eine jener Figuren, um die die Nazis mit großem Aufwand (und leider beträchtlichem Erfolg) immer wahnwitzigere Legenden sponnen, die sie zu "Märtyrern der Bewegung" hochstilisierten und damit zu Vorbildfiguren für weite Teile der Anhängerschaft machten.

Dieses Schlageter-Heim wurde in den folgenden Monaten zu einer regelrechten Zentrale des Terrors. Viele Sozialdemokraten, Gewerkschafter, vor allem aber auch Kommunisten wurden hierher verschleppt, verhört, zusammengeschlagen, gefoltert und wieder verhört. Es muss den Nazis ein sadistisches Vergnügen bereitet haben, die Vertreter der Arbeiterbewegung in ihren eigenen Räumen in der Gewalt zu haben.

Das jedenfalls lässt sich den Zeugenaussagen entnehmen, die anlässlich mehrerer Prozesse in der Nachkriegszeit gemacht worden sind. Angeklagt war eine Handvoll namentlich bekannter SA-Leute, von denen schließlich der ranghöchste, der SA-Obersturmführer Mundt, zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde. Ein Angeklagter erhielt zwei Monate Gefängnis, die anderen wurden freigesprochen. Diese Urteile erscheinen umso unbegreiflicher, wenn man sich die detaillierten Schilderungen der Brutalitäten in den Zeugenaussagen vor Augen hält. Die nun folgenden Ausschnitte sind repräsentativ für eine große Anzahl ähnlicher Fälle.

Zeuge Joachim Sch.: "Im Juli 1933 holten mich etwa zehn SA-Leute aus meiner Wohnung, schlugen und misshandelten mich und führten mich anschließend ins Schlageterheim. Kaum im SA-Heim angekommen, wurde ich erneut mit Schlägen am Kopf empfangen. Mundt gab die Anordnung zu dieser Prügelverteilung und wohnte der ganzen Szene bei und fragte mich u.a.: 'Wen kassieren Sie Hund noch?' Ich antwortete ihm: 'Ich habe nichts zu kassieren.' Nach mehrmaliger Wiederholung der gleichen Frage sagte Mundt: 'Geben Sie dem rotem Lump mal die erste Auflage.' Dann wurde ich gefasst und wurde mit Stahlruten und Karabinerhaken zerschlagen. Nach dieser Tortur habe ich noch vier Auflagen erhalten, bis ich schließlich bewusstlos war. Ferner wurde ich angespuckt und man versetzte mir einen Kinnhaken nach dem anderen.

In diesem bewusstlosen Zustand schmiss man mich unweit der Baracke auf einen Sandhaufen. Dort kam ich nach längerer Zeit zur Besinnung. Ich öffnete die Augen und sah, dass ein SA-Mann mit Karabiner bei mir Posten stand. Nach kurzer Zeit erschien ein anderer SA-Mann, ob es Mundt war, kann ich nicht sagen, und sagte: 'Bei dem brauchst du nicht Posten zu stehen, der verreckt ja doch!' Daraufhin ging der Posten zur Baracke zurück und ich kroch auf allen Vieren hinter die Baracke und flüchtete zur Arnoldsweilerstraße in ein Kohlelager. Dort verblieb ich dann unter Kohlesäcken versteckt bis abends. Im Schutz der Dunkelheit ging ich nach Lendersdorf, kühlte mein sehr entstelltes Gesicht mit essigsaurer Tonerde und fuhr am darauffolgenden Tag nach Aachen. Nach 16 Wochen waren noch immer die Spuren der Prügel sichtbar."


 

Gerstenmühle

"Am 30. April 1941 ist Düren judenfrei!"

Am 29. Januar 1936 erschien in der Dürener Zeitung ein Artikel mit der Überschrift: "Abschied von einem malerischen Winkel. Der größte Teil der alten Dürener Gerstenmühle wird abgerissen". Begründet wurde der Abriss der Mühle, die an dem Fußpfad zwischen Stürtzstraße und dem Sportplatz am Obertor lag, mit Baufälligkeit. Nur ein kleiner Teil sollte für Wohnzwecke erhalten bleiben.

Eine große Anzahl Dürener Juden hat die Gerstenmühle nicht als "malerischen Winkel", sondern als Sammellager auf dem Weg in die Deportation kennen gelernt, zunächst nach dem Novemberpogrom 1938 in die Konzentrationslager Buchenwald, Sachsenhausen und Dachau, später dann zu den sogenannten "Arbeitseinsätzen" und in die Vernichtungslager Polens sowie nach Theresienstadt. Es wird von Zeitzeugen übereinstimmend angeführt, dass bereits bei der unmittelbar nach dem Novemberpogrom einsetzenden Verhaftungswelle die Gerstenmühle als Auffanglager diente.

Nach der offiziellen NS-Berichterstattung in der Dürener Zeitung vom 11. November 1938 wurden im Laufe des Tages "etwa 40 Juden in Schutzhaft genommen". In Darstellungen zur Geschichte Dürens findet sich später die Zahl von 102 Mitgliedern der jüdischen Gemeinde, die "spontan" verhaftet und in die Gerstenmühle verbracht worden seien.

Die Gerstenmühle wird als Sammellager benutzt, beschönigend "Obdach" genannt. Was mit den "obdachlosen" Juden geschah, zeigt die von Bürgermeister Schmitz vorgelegte Entschließung in der Ratssitzung vom 20. Dezember 1940: "Überplanmäßig wird für Verpflegung und Fortschaffung von Polizeisträflingen und Obdachlosen der ursprüngliche Ansatz von 800 RM auf 1.800 RM erhöht." Schon im Rechenschaftsbericht für das Jahr 1939 hatte die Liegenschaftsverwaltung über die "recht schwierige Verwaltung" der 112 polizeilich eingerichteten Obdache geklagt und auf die Kostensteigerung bei der Unterbringung Obdachloser hingewiesen.

Im Zuge der Brutalisierung des Vorgehens wird auch in den Ratsprotokollen die Farce der Obdachlosigkeit fallen gelassen. In einer weiteren Entschließung des Bürgermeisters vom Juli 1941 heißt es:

"Es wurden unter 62/621/1036 außerplanmäßig 4.000 RM unter der Bezeichnung 'Aufwendung anlässlich der Judenumsiedlung' bereitgestellt."

Gefüllt haben dürfte sich die Gerstenmühle wie die anderen Lager im heutigen Stadtgebiet im Mai 1941, als die Ausweisung der Juden des Kreises und der Stadt aus ihren Wohnungen stattfand und die Zentrierung in Lagern erfolgte. Es handelte sich hier wie im übrigen Reich um eine von der Gestapo verfügte "Zusammenlegung der Juden", die bis zum 1. Juli 1941 durchgeführt sein musste.

Die Nazis waren sich der Effektivität ihrer Maßnahmen so sicher, dass der NSDAP-Kreisleiter Peter Binz bereits Anfang April 1941 verkünden konnte, "dass Düren nach dem 30. April judenfrei sein würde."


 

Amtsgericht

"Recht ist, was dem deutschen Volke nützt, Unrecht, was ihm schadet. Die Quellen, aus denen dieses Recht erkannt wird, sind die Grundsätze und Zielsetzungen des nationalsozialistischen Staates und der den Staat tragenden Bewegung. Das Programm der NSDAP ist daher geltendes Recht."

Die Stele vor dem Amtsgericht in Düren erinnert an ein besonders trauriges Kapitel deutscher Geschichte, das allerdings mit dem Untergang des Dritten Reiches noch lange nicht zu Ende war. Sie steht symbolisch für jenen Teil des terroristischen Unterdrückungsapparates, der nahezu reibungslos funktionierte und der auf lange Zeit den Glauben an die Geltung von Menschen- und Verfassungsrechten bis in seine Grundfesten erschütterte. Nicht zuletzt auf Grund der Tatsache, dass viele dieser Unrechts-Sprecher nach dem Abgang ihrer braunen Herren nur die andersfarbige Robe überzustreifen brauchten, um auch den neuen Herren mit vollem Herzen dienen zu können.

Es ist für die Klärung dieses Sachverhaltes von Vorteil, dass insbesondere die nationalsozialistische Propaganda nie einen Hehl daraus machte, wie sie das Recht in ihrem Sinne umzuformen gedachte, um es für ihre Zwecke nutzbar zu machen. Mehrmals wöchentlich wurde im "Westdeutschen Beobachter" unter der Rubrik "Dürener Gerichtschronik" mit unverhohlener Befriedigung über die Aburteilung von jüdischen "Rasseschändern", "marxistischen Elementen" und sonstigen "Volksschädlingen" berichtet. Dabei hielt man sich oft nicht einmal an die brutalen Gesetze und Verordnungen, sondern schuf eigenes Recht, wie es der Fall gerade erforderte.

Ein Beispiel hierfür dokumentierte der "Westdeutsche Beobachter'' in seiner Ausgabe vom 10. Dezember 1935, wo es darum geht, dass ein Amtsgericht einem Vormund verboten hatte, als gesetzlicher Vertreter seiner beiden minderjährigen Kinder das diesen gehörende Grundstück an eine Jüdin zu verkaufen.

Das zuständige Landgericht wies die dagegen eingelegte Beschwerde zurück und führte aus, "es sei zwar richtig, dass es ein Gesetz, wonach ein Jude nicht Eigentümer deutschen Grund und Bodens sein oder werden könne, noch nicht gebe. Trotzdem sei es aber geltendes Recht, dass ein Jude deutschen Grund und Boden nicht mehr erwerben könne. Recht sei, was dem deutschen Volke nütze, Unrecht, was ihm schade. Die Quellen, aus denen dieses Recht erkannt werde, seien die Grundsätze und Zielsetzungen des nationalsozialistischen Staates und der den Staat tragenden Bewegung. Das Programm der NSDAP sei daher geltendes Recht. Hiernach könne nur ein Deutscher im Sinne der Blutzugehörigkeit Eigentümer deutschen Grund und Bodens sein, wie dies ja schon bei der Erbhofgesetzgebung zum Ausdruck gekommen sei ... Reichsminister Dr. Frick hat vor einigen Wochen in seiner Rede in Saarbrücken ein Gesetz über die wirtschaftliche Betätigung der Juden angekündigt. Es ist daher anzunehmen, dass die Frage des Grundstückserwerbs durch Juden in Kürze auch gesetzlich geregelt werden würde."

Ohne jeden Skrupel wird hier die Gesetzlosigkeit zum geltenden Recht erhoben, und das zu einem Zeitpunkt, als man zumindest gegenüber dem Ausland noch den Schein der Rechtsstaatlichkeit zu wahren bemüht war. Schließlich standen die Olympischen Spiele in Deutschland unmittelbar bevor.

Wie Hohn muten da die Worte an, die sich auf der Grundsteinurkunde vom 9. Mai 1938 für das jetzige Amtsgericht wiederfinden: "So strebe der Bau hoch zu einer Stätte unbeirrbarer gerechter Anwendung des Rechts und zu einem Hort wahrhaft volksnaher Rechtspflege. Mögen in ihm nur deutsche Männer ihres Amtes walten, die von der hohen Aufgabe ihres Berufes zutiefst durchdrungen sind."


 

LVR-Klinik

 

"Die während der Herrschaft der Nationalsozialisten erfolgten Massentötungen von psychisch Kranken und geistig Behinderten hatten mit einer Euthanasie im eigentlichen Sinne nichts zu tun. Es waren bewusste, gewollte und mit Überlegung ausgeführte Tötungen, die mit hinterhältigen und arglistigen Täuschungen der Kranken und ihrer Angehörigen einhergingen."

Im Oktober 1939 unterzeichnete Hitler einen auf den 1. September zurückdatierten Erlass, der "Reichsleiter Bouhler und Dr. med. Brandt" beauftragte, "die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, dass nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischer Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann."

Mit diesem Euthanasieerlass war das Schicksal von mehr als einhunderttausend seelisch kranken und geistig behinderten Bürgern besiegelt. Sie wurden vergast, zu Tode gespritzt oder sie verhungerten.

Mit Datum vom 9. Oktober 1939 erhielten die Leiter der Heil- und Pflegeanstalten gleichlautende Schreiben, in denen "im Hinblick auf die Notwendigkeit planwirtschaftlicher Erfassung der Heil- und Pflegeanstalten ..." darum ersucht wurde, beigefügte Meldebögen auszufüllen und alsbald zurückzusenden.

In den Heil- und Pflegeanstalten war nicht bekannt, welchem Zweck die Meldebögen dienen sollten. Verbreitet war die Annahme, dass die arbeitsfähigen und besonders brauchbaren Kranken den Heil- und Pflegeanstalten entzogen werden sollten, um als Rüstungsarbeiter verwendet zu werden. Die Verwirklichung dieses Aspekts hätte die Arbeit in den Anstalten außerordentlich erschwert, da die Anstalten auf die Mitarbeit der arbeitsfähigen Patienten angewiesen waren.

Aus diesen Überlegungen heraus wurden viele der Meldebögen zu Ungunsten der Kranken so ausgefüllt, dass sie als nicht arbeitsfähig ausgewiesen wurden. Die Absicht der Planer der Euthanasieaktion, "unnütze Esser" zu beseitigen, konnte nicht erkannt werden.

Vor dem Hintergrund dieses Führer-Befehls sind aus der Rheinischen Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Düren 376 Männer und 222 Frauen abgeholt und aus "kriegswichtigen Gründen" über die Zwischenanstalten Galkhausen und Andernach in die Tötungsanstalt Hadamar bei Limburg verlegt worden.

In der zweiten Augusthälfte des Jahres 1941 wurde diese erste Phase der Morde an psychisch Kranken und geistig Behinderten durch einen weiteren Führer-Befehl gestoppt. In den Jahren danach, bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, sind aus der Rheinischen Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Düren weitere 1.300 Männer und Frauen - auf Anordnung des Reichsverteidigungskommissars verlegt worden.

Diese Patienten sind - von Ausnahmen abgesehen - ebenfalls einen grausamen Tod gestorben. Mit den dadurch freiwerdenden Betten wurde in der Anstalt ein Wehrmachtslazarett eingerichtet. Außerdem wurden die freien Plätze anderen Institutionen, wie z.B. den Riehler Heimstätten in Köln, zur Nutzung übergeben.

Nach dem Großangriff auf Düren am 16. November 1944 kamen die letzten Patienten weg. Die Anstalt Düren hatte aufgehört zu existieren. Damit war das eingetreten, was in der Planung der Nationalsozialisten sowieso vorgesehen war: die Anstalt Düren aufzulösen, weil "kein Bedarf mehr vorhanden sei".


 

Birkesdorf

"Eine Entlassung der Häftlinge kann nicht befürwortet werden ..."

Birkesdorf ist ein alter Industriestandort, der schon früh eine feste Organisation der Arbeiter hatte. So verwundert es nicht, dass hier eine aktive Ortsgruppe des 1931 gegründeten "Kampfbundes gegen den Faschismus" bestand. In den ersten Monaten nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde das alte Rathaus zum Ausgangspunkt für die unerbittliche Verfolgung der Gegner des Nazi-Regimes. Doch die Arbeiterbewegung wollte nicht kampflos das Feld räumen. So kam es am 4. März, einen Tag vor den Reichs- und Landtagswahlen, im Saale Kratzborn zu einer von 400 Personen besuchten SPD-Versammlung, in der der Redner des Abends, der Birkesdorfer Volksschullehrer und SPD-Funktionär Dr. Pesch, derart deutliche Worte fand, dass der anwesende Polizeikommissar Holz ihm das Wort verbot.

Bald nach der für die Nazis so enttäuschenden Reichstagswahl wurde jede öffentliche politische Betätigung für Sozialisten und Kommunisten unmöglich. Man war gezwungen, sich heimlich, getarnt, zu treffen, um nach möglichen Formen des Widerstands zu suchen. Wie dem Bericht über eine Gerichtsverhandlung zu entnehmen ist, gründete man z. B. "Wandervereine", die auf ihren "Wanderungen" vor allem mit der Verteilung von Flugblättern beschäftigt waren.

Obwohl die Nazis schon nach wenigen Monaten verkündeten, die Organisationen ihrer politischen Gegner seien zerschlagen, niemand stelle sich mehr der "nationalen Revolution" entgegen, scheinen sich die Birkesdorfer sehr einfallsreich gezeigt zu haben, wenn es darum ging, ihre politische Meinung, das heißt ihren Widerstand gegen das braune System, zu äußern. Wie anders ist denn sonst eine Meldung des "Westdeutschen Beobachters" vom 2. März 1935 zu verstehen, in der "anlässlich der Vorkommnisse am vergangenen Weiberfastnacht' für den diesjährigen Karneval ein "Maskenverbot" erlassen wurde?

Während die "einfachen" Mitglieder zunächst noch unbehelligt blieben, hatte man die führenden Köpfe der Linken direkt zu Anfang verhaftet. Einen Vorwand bot der Reichstagsbrand in der Nacht vom 27. zum 28. Februar 1933. Am gleichen Tag wurde auf Weisung des "Höheren Polizeiführers im Westen" der Birkesdorfer Kommunist Hubert Rankers, von Beruf Polsterer, "in Schutzhaft genommen." Über ein Jahr später, im März 1934, wird der Sonderbeauftragte der SA im Kreis Düren, Standartenführer Lentzen, um Stellungnahme gebeten, ob Rankers zu entlassen sei.

Dieser antwortete dem Landrat: "Eine Entlassung der Häftlinge [...] und Hubert Rankers aus Birkesdorf kann ich nicht befürworten. Diese beiden sind sozusagen der Kopf der kommunistischen Bewegung und der ausgesprochene Typ eines Volksaufwieglers. [...] Durch die Entlassung der beiden Genannten würde die Gefahr von Provokationen und besonderen Zusammenstößen besonders groß."

Dass diese "Befürchtungen" nicht unberechtigt waren, weil sich nicht alle aus der Schutzhaft Entlassenen an das Verbot der politischen Betätigung hielten, zeigt eine Meldung des "Westdeutschen Beobachters" vom 9. August 1935:

"Ehemaliger KPD-Funktionär festgenommen. Am Donnerstagnachmittag wurde ein ehemaliger Funktionär der KPD aus Birkesdorf wegen staatsgefährlicher Umtriebe durch die Kriminalpolizei Aachen verhaftet. Er war vor einiger Zeit auf Antrag seiner Frau bei der NSDAP aus dem Konzentrationslager entlassen worden."

In den Schutzhaftlagern und KZ der Nazis waren zeitweise bis zu 50 Birkesdorfer eingesperrt. Neben den Kommunisten traf dies gleichermaßen auch Sozialdemokraten und andere Oppositionelle.


 

Arnoldsweiler

"Hier nach Arnoldsweiler kamen die Gefangenen zum Sterben!"

Ein umfangreicher Barackenkomplex, umgeben von Wachtürmen, gelegen im Nordwesten von Arnoldsweiler: Das war das Kriegsgefangenenlager, eine Außenstelle des Stalag VI in Bonn. Tausende französischer und später russischer Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter waren hier interniert, und viele hundert von ihnen starben hier unter grausamen Umständen.

Erst als im Sommer 1960 die Toten auf dem Friedhof in der Merzenicher Heide exhumiert werden, um auf der Ehrenanlage in Rurberg ihre letzte Ruhestätte zu finden, wird der breiten Öffentlichkeit das ganze Ausmaß des Massensterbens bekannt: Statt der ursprünglich geschätzten 500 werden schließlich über 1.500 Tote umgebettet. Und es steht fest, dass dies nicht alle Opfer waren, denn viele wurden, wie sich Zeitzeugen erinnern, gar nicht in der Merzenicher Heide begraben, sondern auf einen Lastwagen geladen, um sie irgendwo zu verscharren.

Die Verhältnisse im Lager waren katastrophal, vor allem, weil hier viele Kranke aus den umliegenden Industrie- und Kohlenrevieren eingeliefert wurden. "Hier nach Arnoldsweiler kamen die Gefangenen zum Sterben!", erinnert sich ein damals als Sanitäter im Lager eingesetzter Deutscher. Etwas erträglicher hatten es die außerhalb der Lager untergebrachten Zwangsarbeiter, von denen die meisten in der Landwirtschaft eingesetzt waren.

Allerdings wird mit zunehmender Kriegsdauer ein Einsatz in der Rüstungsindustrie immer kriegswichtiger. So ordnete der Landrat des Kreises Düren am 6. September 1944 "die Überleitung von 700 ausländischen Arbeitern, Polen und Russen, aus der Landwirtschaft in die Industrie" an.

Ein besonderes Problem stellten die Zwangsarbeiter für die Sicherheitsorgane dar. Im September 1944 berichtet der "Chef der Sicherheitspolizei und des SD", Berlin, in einem Rundschreiben mit bemerkenswerter Offenheit: "In diesem Zusammenhang darf die Haltung vieler deutscher Volksgenossen nicht unerwähnt bleiben, die durch Großzügigkeit und falschverstandenes Mitleid dem Ausländer in seinen Bestrebungen Vorschub leisten. Immer wieder erhalten bettelnde Ausländer Geld, Lebensmittelmarken oder Lebensmittel von der deutschen Bevölkerung, die damit, wenn auch unbewusst, flüchtigen Ausländern oder Agenten Unterstützung angedeihen lässt."

In dem gleichen Schreiben werden verstärkte Razzien gegen die Ausländer angeordnet, die zum Ziel haben sollen, die schon seit längerem existierenden Widerstandsorganisationen der ausländischen Zwangsarbeiter zu zerschlagen.

Schon im Mai 1944 hatte, wie die streng vertrauliche "Meldung wichtiger staatspolizeilicher Ereignisse" vermerkte, die Stapostelle Köln eine "von Ostarbeitem gebildete sowjetische Widerstandsbewegung mit der Bezeichnung 'Komitee Kampf gegen Faschismus' aufgerollt. Die zentrale Steuerung der Bewegung, die Verbindung nach Euskirchen, Jülich und Düren unterhielt, erfolgte von Düsseldorf aus." "Bisher", so der Bericht weiter, "konnten 39 Personen festgenommen werden, unter denen sich die Leiter der Bezirke von Düren, Jülich und Euskirchen befinden. Die Ermittlungen werden fortgesetzt."

Wir wissen heute (noch) nicht, ob diese Ermittlung zum Ergebnis hatten, dass solche Verbindungen auch zum Stalag in Amoldsweiler bestanden. Das ist aber auch vollkommen nebensächlich, denn die Stele in Arnoldsweiler steht symbolisch für viele andere Orte in Düren, wo Lager bestanden. Sie steht ganz gewiss auch für jene Stelle in Echtz, an der im Jahre 1942 zwei polnische Zwangsarbeiter wegen Geschlechtsverkehrs mit deutschen Frauen aufgehangen wurden.


 

Anne-Frank-Gesamtschule

"Es ist ein Wunder, dass ich all meine Hoffnungen nicht aufgegeben habe, denn sie erscheinen absurd und unerfüllbar. Doch ich halte daran fest, trotz allem, weil ich noch stets an das Gute im Menschen glaube."

Ihr Name ist vielen bekannt, dass sie eine Jüdin war und von den Nazis getötet wurde, wissen einige aus Filmen, die im Fernsehen gezeigt wurden. Aber warum wird gerade nach ihr eine Schule benannt, warum soll gerade auf dem Schulhof dieser Schule eine Stele von Ulrich Rückriem stehen?

"Es ist ein Wunder, dass ich all meine Hoffnungen nicht aufgegeben habe, denn sie erscheinen absurd und unerfüllbar. Doch ich halte daran fest, trotz allem, weil ich noch stets an das Gute im Menschen glaube", schrieb Anne Frank am 15. Juli 1944 in ihr Tagebuch, nachdem sie und ihre Eltern jahrelang unter dem Terror der Nazis gelitten hatten. Vor ihnen und ihren Rassegesetzen floh die Familie Frank 1933 von Frankfurt am Main nach Amsterdam, wo sie der Terror bereits 1940 mit der deutschen Besatzung wieder einholte.

Im Juni 1942 bekommt Anne zu ihrem 13. Geburtstag ein Tagebuch geschenkt und beginnt ihre Geschichte, die der vieler Millionen Juden ähnelt, niederzuschreiben. Mit außerordentlicher Genauigkeit und Sensibilität dokumentiert sie eine Zeit und das Verhalten der Menschen in dieser Zeit, die geprägt ist durch den Nationalsozialismus, auf den sich so viele Menschen eingelassen haben.

Angst, Interessenlosigkeit, Selbstgerechtigkeit, übersteigerter Nationalismus und Egoismus, blinder Gehorsam gegenüber fragwürdigen Autoritäten führten dazu, dass die Nazis über halb Europa ihren Terror ausbreiten konnten.

Im Juli 1942 versucht die Familie Frank diesem Terror zu entkommen, indem sie sich versteckt. Mit Hilfe von Freunden richten sie sich in einem Hinterhaus ein, das über ein drehbares Regal von der Außenwelt abgeschlossen ist. Mehr als zwei Jahre leben die Franks und ihre jüdischen Freunde, die Familie van Daan und Herr Dussel, insgesamt acht Personen, auf engstem Raum in der ständigen Furcht vor Entdeckung. Im August 1944 stürmt die Polizei das Hinterhaus, die Deportation und das Konzentrationslager überlebt nur der Vater, Otto Frank.

Was den Namen Anne Frank weltberühmt machte, ist die Tatsache, dass ihr eindrucksvolles Tagebuch auch heute noch als Symbol verstanden wird für Lebensmut, Toleranz, Menschenwürde. Anne Frank hat der Nachwelt durch ihre Aufzeichnungen den Auftrag hinterlassen, jeglichen Anfängen von Rassenhass, Diskriminierung und Intoleranz zu wehren. Diesem Auftrag versucht die 1988 selbständig gewordene zweite Dürener Gesamtschule gerecht zu werden. In ihrem ersten Jahresbericht hieß es damals: Im Nachdenken lernen, sich der Vergangenheit bewusst zu werden, um Zukunft zu haben, eine eigene Urteilsfähigkeit zu erwerben, eigenes Engagement in sozialer Verantwortung zu entwickeln - das kann ein zentraler Bildungsauftrag der Anne-Frank-Gesamtschule sein."


 

Gürzenich

"Wenn's Judenblut vom Messer spritzt, geht es nochmal so gut, hängt die Juden, stellt die Bonzen an die Wand."

Die Synagogengemeinde Gürzenich ist in vieler Hinsicht typisch für die ländlichen Synagogengemeinden im Kreis Düren. Ihre Mitglieder waren, wie überall, geachtete Mitbürger, integriert in das gesellschaftliche Leben des Dorfes und an seiner Entwicklung genauso interessiert wie die übrigen Einwohner.

Seit 200 Jahren hatten in Gürzenich Juden gelebt, gearbeitet, Handel getrieben, hatten geheiratet, Kinder bekommen und waren schließlich auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt worden, oft genug unter Anteilnahme der katholischen Bevölkerung. Sie waren für ihr deutsches Vaterland genauso selbstverständlich in den Krieg gezogen, verwundet und mit Orden ausgezeichnet worden wie ihre nichtjüdisehen Altersgenossen. Und sie waren für Deutschland gestorben, wie der 20jährige Josef Heumann aus Gürzenich, der im "Gedenkbuch für die jüdischen Gefallenen des deutschen Heeres, der deutschen Marine und der deutschen Schutztruppen 1914-1918", herausgegeben vom Reichsbund jüdischer Frontsoldaten, verzeichnet ist.

Anders als in einer großen Stadt waren die sozialen Bindungen in einer kleinen Gemeinde wie Gürzenich auch zwischen jüdischen und nichtjüdischen Einwohnern sehr viel fester. Die jüdische Gemeinde war zahlenmäßig viel zu klein, um Gefahr zu laufen, sich abzukapseln, wie das in mancher Großstadt der Fall gewesen sein mag.

Im Gegenteil versuchte man von beiden Seiten alles, um die unterschiedliche Religionszugehörigkeit nicht zu einem trennenden Element werden zu lassen. Augenfälligstes Beispiel dafür war die Beteiligung der christlichen Bevölkerung an den Baukosten für die neue Gürzenicher Synagoge, die am 7. September 1906 in einem feierlichen Akt ihrer Bestimmung übergeben wurde. Man nahm gegenseitig an Beerdigungen teil, und von Pfarrer Hecker ist verbürgt, dass er der Witwe des tödlich verunglückten Jonas Jacobs einen Kondolenzbesuch abstattete.

Aus Berichten überlebender Gürzenicher Juden ist zu ersehen, wie eng ihre Freundschaften mit Nachbarn, Mitschülern und Arbeitskollegen waren. Gleichzeitig ist aber auch immer noch ihre Verwunderung darüber spürbar, wie schnell solche Freundschaften unter dem erbarmunglosen Druck einiger weniger zerbrechen können, wie widerstandslos sich die große Masse der Bevölkerung von den blutrünstigen Parolen der Nazis vereinnahmen ließ.

Und bestimmt nicht vergessen können sie jenes Lied, das SA und SS vorzugsweise sonntags auf ihrem Marsch durch das Dorf grölten: "Wenn's Judenblut vom Messer spritzt, geht es noch mal so gut, hängt die Juden, stellt die Bonzen an die Wand."

Es ist ein Zeichen für die Heimatverbundenheit der Gürzenicher Juden, dass sie viele Schikanen und Demütigungen erduldeten und ihr Dorf trotzdem nicht verließen. Selbst nach dem Fanal der Reichspogromnacht, als auch die Gürzenicher Synagoge dem braunen Mob zum Opfer fiel und die männlichen Juden verhaftet und im Gemeindehaus verhört wurden, fanden sie keine Antwort auf die Frage: "Was haben wir Euch getan?"

Immerhin war dies für einige der endgültige Anlass zur Flucht aus diesem Land, das nicht mehr länger ihre Heimat sein konnte. Unter schwersten Bedingungen, teilweise mit Hilfe der wenigen verbliebenen Freunde, gelang der oft illegale Grenzübertritt ins benachbarte Ausland.

Aber auch hier war man nicht sicher. Eine Reihe Gürzenicher Juden ist von Holland aus noch in die Vernichtungslager deportiert worden.


 

Lendersdorf

"Am Tage des Abtransports meiner Eltern zum KZ durfte ich sie mit Genehmigung der Gestapo Köln besuchen. Meine Eltern, meine Schwester und Familie Lichtenstein wurden zunächst mit der Straßenbahn von Lendersdorf zum Bahnhof Düren transportiert. Vom Bahnhof Düren nach Izbica/Wierpz, Kreis Kastinow, Distrikt Lublin, von wo mich Post erreichte bis August 1942."

Die Thuirs Mühle im äußersten Südzipfel des Stadtteils Lendersdorf ist eine etwa 120 Jahre alte ehemalige Getreidemühle, von deren Komplex jetzt nur noch das Wohnhaus steht. Etwa 1939/40 wurde der Mühlenbetrieb wegen Unrentabilität aufgegeben.

In der Mühle wurden vor allem Juden aus dem südlichen Kreisgebiet zusammengefasst. Ein ehemaliger jüdischer Mitbürger aus Gey erinnert sich: "1941 wurden die jüdischen Bewohner aus Gey, Maubach und Drove lagermäßig in der Thuirs Mühle untergebracht. Meine Eltern lebten dort in einem Raum zusammen mit Carl Lichtenstein, seiner Frau und seinem Söhnchen Rudolph.

In einem anderem Raum waren Isaak Meyer, seine kranke Ehefrau Lina und Tochter Elly untergebracht. Am Tage des Abtransports meiner Eltern zum KZ durfte ich sie mit Genehmigung der Gestapo Köln besuchen.

Meine Eltern, meine Schwester und Familie Lichtenstein wurden zunächst mit der Straßenbahn von Lendersdorf zum Bahnhof Düren transportiert. Vom Bahnhof Düren nach Izbica/Wierpz, Kreis Kasnistow, Distrikt Lublin, von wo mich Post erreichte bis August 1942."

Die Bewachung der jüdischen Gefangenen hatten örtliche SA-Angehörige übernommen, die mit geschultertem Karabiner über den Hof patrouillierten und sich, wie so viele ihrer Gesinnungsgenossen, endlich einmal im vollen Glanze der Macht sonnen konnten.

Auf der anderen Seite ist aber auch die Erinnerung noch wach an jene, die den Juden zu helfen versuchten. So weiß man von einer Familie zu berichten, die in Lendersdorf eine Bäckerei betrieb und die Juden mit Brot und anderen Lebensmitteln versorgte. Auch die Anwohner der "Eulengasse", wie der schmale Weg zur Mühle hinunter genannt wurde, steckten den mit dem "Davidstern" als Ausgestoßene Gekennzeichneten hin und wieder etwas zu essen zu. Denn die Versorgung der Gefangenen war schlecht, oft erhielten sie "nicht einmal einen Schluck Wasser", wie sich eine Anwohnerin erinnert. Trotz der schlechten Ernährung müssen die arbeitsfähigen Juden unter Aufsicht Zwangsarbeit verrichten, so u.a. in der Lendersdorfer Hütte, wo sie mit Pflasterarbeiten am Schienenstrang im Werksinneren befasst werden und abends wieder in ihr Gefängnis zurückkehren.

Die Juden ahnen, dass ihnen Schlimmes bevorsteht. Und doch versuchen sie, ihr Leben in und um die Mühle so "normal" wie möglich einzurichten. Sie nutzen die geringe Bewegungsfreiheit, die ihnen anfangs noch gewährt wird, um Möbel und andere wertvolle Sachen bei Freunden unterzubringen, für die Zeit "danach". Sogar eine Hochzeit findet noch statt: Die Tochter des Lendersdorfer Juden Isaak Roer, Sara, heiratet einen jungen Glaubensgenossen aus der Vettweißer Gegend. Doch dann kommt der Befehl: Fertigmachen zum Abtransport. "Ins Arbeitslager", wie es offiziell hieß. Die etwa 50 jüdischen Mitbürger, bewacht von einem Polizisten, bilden einen traurigen Zug. Manch einer raunt dem Freund, der am Straßenrand steht, noch einen letzten Gruß zu, dann führt der Weg über die Mühlenteich-Brücke zur Haltestelle der elektrischen Eisenbahn, wo ein Triebwagen mit Anhänger bereitsteht. Keiner unternimmt einen Fluchtversuch. Und so geht es ohne Aufenthalt zum Dürener Bahnhof, wo der Güterwaggon auf sie wartet.